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Gesichtserkennung - Sicherheit oder Gefahr?

Stand:
Gesichtserkennung ist eine moderne Technik, mit der Computer Menschen auf Bildern eindeutig erkennen können. Ihr Einsatz nimmt zu, ihre Anwendung ist umstritten.
Mehrere Personen laufen draußen über die Straße und eine Überwachungskamera erkennt ihre Gesichter.

Das Wichtigste in Kürze:

  • Der Einsatz von Gesichtserkennungstechnik nimmt zu.
  • Die Vermessung von Gesichtsmerkmalen soll technische Anwendungen bequemer und sicherer machen.
  • Oft wird die Technik auch zur Kontrolle eingesetzt.
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Toilettenpapier in WC-Häuschen nur gegen Gesichtserkennung

Es war einmal ein Toilettenhäuschen im bekannten Himmelstempel-Park in Peking. In diesem Toilettenhäuschen ist nichts besonders charmant. Es ist eine öffentliche Toilette in einem Park. Dass dieses Häuschen trotzdem berühmt geworden ist, liegt an einem weißen High-Tech-Gerät, das an der Wand im WC hängt. Denn wer seinen Toilettengang gerne mit der Nutzung von Toilettenpapier abschließen möchte, muss dem Gerät sein Gesicht zeigen. Pro Gesicht gibt der Automat 60 cm von der Rolle frei. Wenn jemand sein Gesicht mehrfach einscannt, um mehr Papier zu bekommen, wird er freundlich abgewiesen. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass Papier verschwendet wird.

Gibt es Gesichtserkennung auch in Europa?

Nun könnte man sagen, dass China für seine Überwachungspolitik und den eher laxen Datenschutz bekannt ist. Und sich in Sicherheit wägen, dass ein Gesichtserkennungs-Klohäuschen von deutschen oder europäischen Parks weit entfernt ist. Aber ganz so einfach ist es nicht.

Vor wenigen Jahren machten Schweizer Skiliftbetreiber auf sich aufmerksam. Sie installierten eine Software, die Skifahrerinnen und Skifahrern mit Skiliftabo Zugang zur Anlage verschaffte – via Gesichtserkennung. Die Betreiber wollten so den Abonnement-Missbrauch reduzieren.

Auch bei der Nutzung von Endgeräten ist die Entsperrung via Vermessung biometrischer Gesichtsdaten für viele längst Alltag geworden. Das umständliche Passworteingeben entfällt. Einfach nur noch den Computer oder das Smartphone vors Gesicht halten – und schwupp ist das Gerät entsichert. Merken muss man sich dafür auch nichts mehr.

Wie funktioniert Gesichtserkennung?

Bei der Gesichtserkennung macht eine Kamera ein Foto von einem Gesicht. Dieses Foto wird von einem Computer auf bestimmte Merkmale hin analysiert. Zum Beispiel misst der Algorithmus grafische Merkmale der Augen, der Nasenpartie, des Haaransatzes oder der Mundpartie aus. Diese Merkmale vergleicht er dann mit einem anderen Bild, das er sich zuvor gemerkt hat. Wenn die Übereinstimmung groß genug ist, erkennt der Algorithmus zwei Gesichter als identisch.

Die Gesichtsmerkmale zählen zu den biometrischen Daten. Also zu den Daten, die in ihrem Zusammenspiel – ähnlich wie der Fingerabdruck oder die Augeniris – die eindeutige Identifikation eines Menschen erlauben. Erst die Analyse von einer Vielzahl solcher Daten ermöglicht die eindeutige Identifikation. Manche Eigenschaften ändern sich über die Zeit vielleicht sogar. Je mehr Daten hier zur Verfügung stehen, desto "sicherer und eindeutiger" wird die Identifikation.

In Deutschland sind biometrische Daten datenschutzrechtlich streng geschützt. Wer sie verarbeiten möchte, muss besondere Vorgaben beachten.

Gründe für den Einsatz der Technik

Die biometrische Gesichtserkennung ist eine vergleichsweise junge Technik. Und obwohl bekannt ist, dass sie mit verschiedenen Risiken verbunden ist, kommt sie immer häufiger zum Einsatz. Dort, wo biometrische Gesichtserkennung verwendet wird, stecken in der Regel 3 Wünsche dahinter:

  • mehr Bequemlichkeit
  • höhere Sicherheit
  • mehr Kontrolle

Manchmal ist auch nur ein Wunsch Motivation genug. Im Fall der Schweizer Skiliftanlage oder des chinesischen Toilettenhäuschens ist die Kontrolle über das Verhalten der Nutzer:innen der Grund für den Einsatz der Technik.

Bei der Entsperrung von Endgeräten mithilfe biometrischer Gesichtserkennung wird es dagegen für die Anwender:innen bequemer und sicherer. Niemand muss sich mehr komplizierte Passwörter merken. Viele Menschen verwenden ein Passwort für mehrere Apps oder Webseiten oder gestalten Passwörter nicht sicher genug. Deshalb bietet ein biometrisches Passwort in der Regel nicht nur mehr Bequemlichkeit, sondern auch größeren Schutz. Das gilt allerdings nur so lange, wie die Gesichtsmerkmale nicht gehackt und missbraucht werden.

Datenmissbrauch ist eine Gefahr

Passwörter, die gehackt und zweckentfremdet werden, können gesperrt, verändert und verbessert werden. Geklaute biometrische Daten sind nicht mehr veränder- oder verbesserbar. Sie sind weg. Und dass sie gestohlen werden, ist Realität. Wie zum Beispiel beim gesichtsbasierten Entsperrsystem Face ID im iPhoneX von Apple. Kurz nach der Markteinführung gelang es Hackern, den Schutzmechanismus zu umgehen. Und zwar, indem sie Gesichtsteilnachbildungen einsetzten, die mit Hilfe von 3D-Druckern gewonnen hatten.

Staatliche Kontrolle mit Gesichtserkennung

Dort, wo sensible Daten wie Gesichtsmerkmale gespeichert werden, besteht immer das Risiko für kriminellen Missbrauch. Aber das ist nicht die einzige Richtung, aus der die Gesichtserkennung gefährlich werden könnte. Auch der staatliche Einsatz von Gesichtserkennungssoftware ist umstritten. Die einen erhoffen sich mehr Sicherheit und eine bessere Aufklärung von Verbrechen. Die anderen glauben, dass der systematische Einsatz von Gesichtserkennung uns in den totalen Überwachungsstaat führt.

Die Wahrheit liegt wahrscheinlich dazwischen. Damit wir die Technik für uns einsetzen und gleichzeitig unsere Werte schützen können, ist eine gesellschaftliche Diskussion notwendig. Und entsprechende Gesetze. Bei einer unkritischen oder unkontrollierten Nutzung durch staatlichen Stellen würde nicht nur unsere Privatsphäre empfindlich verletzt. Wir wären auch Diskriminierungen ausgesetzt.

Da viele Gesichtserkennungsdatenbanken hauptsächlich mit Bildern von weißen Menschen gefüttert werden, funktionieren sie bei Menschen mit anderen Hautfarben (sogenannte BIPoC - Black, Indigenous, and People of Color) oft schlechter. Das bedeutet: Sie machen mehr Fehler. Im Falle von polizeilicher Ermittlungsarbeit kann das schwere Folgen für die Betroffenen haben.

Was hat es mit dem Fall "Clearview" auf sich?

Viele Menschen fragen sich: Wie viel Gesichtserkennungs-Technik ist bereits im staatlichen Einsatz? Und ist das alles rechtens? Anfang 2020 sorgte ein Artikel in der New York Times für Aufsehen. Eine Investigativreporterin hatte darin Informationen über ein privates Unternehmen namens "Clearview AI" veröffentlicht.

Durch den Artikel wurde nicht nur bekannt, dass das Unternehmen einen riesigen Datenstaubsauger entwickelt hatte, der die Bilder von 300 Millionen Menschen aus dem Internet und den sozialen Medien abgegriffen und in eine Datenbank überführt hatte. Sondern auch, dass mehr als 600 Behörden die Dienste von Clearview einkaufen.

Darunter US-staatliche Institutionen wie das FBI, das US-Heimatschutzministerium, viele Polizeidienststellen und auch kanadische Ermittler. Befragte Beamte schwärmten von der Effektivität der Software, die die eigenen Programme bei weitem übertraf.

Das Abgreifen der Bilder aus den sozialen Netzwerken widerspricht eindeutig den Nutzungsbedingungen von Facebook, Twitter und Co. Aber offensichtlich haben die großen Unternehmen der New Economy nur wenig in der Hand, um den Datenklau zu verhindern.

Eine Kontrolle der Kontrolle ist nicht mehr möglich

Kritisch am Fall Clearview ist aber vor allen Dingen, dass niemand genau weiß, von wem und in welchem Umfang die Software eingesetzt wird. Clearview selbst bleibt gerne diskret im Hintergrund. Eine öffentliche Kundenliste gibt es nicht. Eine Kontrolle darüber, welche staatlichen Stellen die Software nutzen, ist nicht möglich.

Ob der Einsatz von Clearview in Deutschland erlaubt wäre, ist umstritten. Während die einen davon ausgehen, dass ein Einsatz mit den Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) nicht vereinbar ist, sehen andere mehr Spielraum. Sie begreifen Clearview als eine Art "Google", das öffentlich zugängliche Bilddaten durchsucht. Und deshalb prinzipiell auch in Deutschland von staatlichen Stellen verwendet werden könnte.

Online-Verfolgung für jedermann

Riesige Bilddatenbanken zur Online-Identifizierung anderer Menschen gibt es übrigens nicht nur für öffentliche Behörden. Wer gerne Bekannte aufspüren möchte, hat als Privatperson zum Beispiel mit DeepFace von facebook beste Voraussetzungen. Mit der App lassen sich tausende von Bildern aus dem sozialen Netzwerk durchsuchen. Welche Absichten jemand mit seiner Suche verfolgt, spielt für den Algorithmus keine Rolle. In Deutschland und Europa kommt DeepFace nicht mehr zum Einsatz. Zu groß war die Kritik der Datenschützer.

Außerdem hat der Betreiberkonzern Meta in seinem Netzwerk Facebook die automatische Gesichtserkennung Ende 2021 weltweit eingestellt. Davor war es möglich, dass künstliche Intelligenz auf hochgeladenen Fotos die Personen erkennt und automatisch markiert. 2010 war die Funktion bereits eingeführt und 2012 in Europa abgeschaltet worden. 2018 ging sie dann auch in Europa wieder an den Start, Facebook-Mitglieder mussten sie aktiv einschalten.

Das sagen die Verbraucherzentralen

Die Gesichtserkennung bietet Potenzial. Sie kann Anwendungen sicherer machen und unser Leben einfacher. Sie hat aber auch ganz offensichtliche Risiken und Nebenwirkungen, die jedem bewusst sein sollten, der die Technik für sich nutzt. Damit die Gesichtserkennung eine Technik sein kann, die schützt, müssen wir als Gesellschaft diskutieren. Darüber, wann und wo und wie wir uns diese Technik wünschen. Und welchen Preis wir bereit sind zu zahlen – für mehr Sicherheit und mehr Komfort.

Doch nicht nur wir als Nutzer:innen sind gefragt. Mit der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) haben wir in Deutschland an sich ganz gute Voraussetzungen, um User:innen zu schützen. Aber dort, wo durch die Nutzung neuer Techniken rechtliche Lücken entstehen, muss die Politik die Gesetze anpassen. Am besten, bevor die Technik Normalität geworden ist.


[1] Deutschlandfunk: China - Mit Gesichtserkennung in Richtung Massenüberwachung. Sendung vom 17.4.2018.

[2] Stiftung Datenschutz: Gesichtserkennung auf dem Vormarsch

[3] Süddeutsche Zeitung: Eine Software schockiert Amerika (20.1.2020)

[4] Süddeutsche Zeitung: Warum automatisierte Gesichtserkennung so gefährlich ist (21.1.2020)

Das Motiv zeigt viele verschwommene Zeilen Code.

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