Viele selbstgesetzte Vorgaben des Handels für Obst und Gemüse belasten die Umwelt und das Klima. Brokkoli wird beispielsweise nach Einheitsgewicht vermarktet, Äpfel nur mit makelloser Schale. Bei Möhren oder Kohlrabi dienen die frisch-grünen Blätter nur der Optik, lassen das Gemüse selbst aber schneller welk werden. Damit Obst und Gemüse besonders frisch und makellos aussehen kann, müssen oft zusätzliche Pflanzenschutz- und Düngemittel eingesetzt werden. Obst und Gemüse, das den Handelsvorgaben nicht entspricht, wird den Erzeugern in der Regel nicht abgenommen. Im besten Fall wird es zu Saft weiterverarbeitet oder verfüttert, häufig aber untergepflügt oder anderweitig entsorgt.
Verzichtet der Handel auf diese Vorgaben, profitieren neben der Umwelt auch Verbraucherinnen und Verbraucher und die Erzeugerbetriebe. Ohne Blattschmuck von Kohlrabi und Co. etwa bleibt das Gemüse länger frisch, weil über die Blätter kein Wasser mehr verdunsten kann. Wird unterschiedlich großes Obst und Gemüse angeboten, können Verbraucher besser nach Bedarf einkaufen und Lebensmittelabfällen im Haushalt vorbeugen. Erzeugerbetriebe können ihren Einsatz an Pflanzenschutz- und Düngemitteln reduzieren und einen größeren Anteil ihrer Produkte an den Handel verkaufen.
Dies zeigt das UBA in seiner Veröffentlichung „Mehr Natürlichkeit im Obst- und Gemüseregal – gut für Umwelt und Klima“, in der es zusammen mit einem Expertenteam Lösungsvorschläge entwickelt hat. UBA-Präsident Dirk Messner: „Die gesetzlichen Vorgaben reichen aus für hochwertige Lebensmittel. Der Handel muss hier nicht noch unnötig nachlegen. Damit die Umwelt beim Obst- und Gemüseanbau weniger belastet wird, müssen alle aktiv werden – auch der Handel.“
Marktcheck: nur wenig Ware der KLasse II erhältlich
Zu diesem Ergebnis kommt auch ein bundesweite Marktcheck der Verbraucherzentralen. Luise Hoffmann, Referatsleiterin Lebensmittel und Ernährung bei der Verbraucherzentrale Thüringen, weiß: „Es gibt noch große Spielräume, frisches Obst und Gemüse so anzubieten, dass Verbraucherinnen und Verbraucher einen Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz leisten können. Der Handel sollte diese nutzen.“ Der bundesweite Marktcheck hat das Angebot von ausgewähltem Obst und Gemüse in 25 Supermärkten, Biohandelsmärkten und Discountern untersucht.
Die Ergebnisse zeigen:
- Nur rund ein Viertel der Äpfel und 18 Prozent der Möhren wurden in Klasse II, also mit optischen Makeln und verschiedener Größe, angeboten. In Discountern war dieses Angebot – im Vergleich zu Supermärkten und Biomärkten – noch geringer.
- Kohlrabi, Blumenkohl, Eisbergsalat und Brokkoli wurden fast ausschließlich zum Stückpreis statt nach Gewicht angeboten. Eine Verkaufspraxis, die wenig Anreiz bietet, auch zu kleinerem Gemüse zu greifen.
- Kohlrabi und Radieschen wurden fast immer mit Blättern verkauft, obwohl diese nur als vermeintliches Frischemerkmal dienen und meist noch im Supermarkt von den Verbrauchern entfernt werden.
Außerdem analysierte der Marktcheck, inwieweit Obst und Gemüse preisreduziert angeboten wurde, wenn es durch längere Lagerung an optischer Qualität verloren hatte. Es zeigte sich, dass es solche Angebote nur in rund einem Viertel (28 Prozent) der Geschäfte gab.
Forderung: KLasse II als neuer Standard
Um Umwelt und Klima nicht weiter durch unnötig strenge Vorgaben zu belasten, empfehlen UBA und die Verbraucherzentralen:
- Der Handel sollte auf eigene Anforderungen an Größe, Einheitlichkeit und Aussehen verzichten und die Spielräume der gesetzlichen Vermarktungsnormen nutzen. Ist eine Klassen-Kennzeichnung vorgeschrieben, sollte Klasse II zum neuen Standard werden.
- Obst und Gemüse sollte grundsätzlich nach Gewicht und nicht nach Stück verkauft werden. Um enge Vorgaben für einheitliche Größen überflüssig zu machen, müssen Verkaufsverpackungen und Packstückgrößen an die natürlichen Größen und Gewichte von Obst und Gemüse angepasst werden.
- Gemüse wie Kohlrabi, Radieschen und Möhren sollte ohne Blätter angeboten werden.
Damit der Handel seine Vorgaben dauerhaft senken kann, müssen Verbraucherinnen und Verbraucher das Angebot auch annehmen. Dafür braucht es leicht zugängliche und verständliche Informationen, zum Beispiel in Kundenmagazinen oder direkt beim Einkauf.
Diese Information ist im Rahmen eines vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft geförderten Ernährungsprojekts entstanden.