Fristen zur Begutachtung
Zur Entscheidung über einen Pflegeantrag wird ein Gutachten erstellt. Das heißt, ein speziell geschulter Gutachter kommt zum Antragsteller nach Hause und überprüft anhand eines festgelegten Verfahrens, wie selbstständig dieser sich noch versorgen kann. Dafür müssen Fragen beantwortet und Übungen absolviert werden.
- Zu gesetzlich Versicherten kommt in der Regel ein Gutachter des Medizinischen Dienstes (MD).
- Zu privat Versicherten ein Gutachter der Firma medicproof.
Ist es dem MD nicht möglich, innerhalb von 20 Arbeitstagen nach der Antragstellung einen Gutachter zu schicken, ist die Pflegekasse verpflichtet, 3 unabhängige Gutachter zur Auswahl zu stellen. Der Betroffene kann dann einen davon aussuchen.
Ausnahmsweise kann auf einen Hausbesuch verzichtet werden und ein Gutachten nach Aktenlage erstellt werden. Das ist erlaubt, wenn aufgrund einer eindeutigen Aktenlage das Ergebnis der medizinischen Untersuchung bereits feststeht oder in nationalen oder regionalen Krisensituationen. Damit sind etwa pandemische Notlagen, Naturkatastrophen oder Großschadensereignisse gemeint.
Nach insgesamt maximal 25 Arbeitstagen nach Antragseingang (Montag bis Freitag, Feiertage sind ausgenommen) muss die Pflegekasse dann eine Entscheidung treffen, ob und in welchen Pflegegrad der Betroffene einzustufen ist.
Verkürzte Fristen zur Begutachtung
In einigen Situationen muss die Entscheidung schneller fallen.
Die Begutachtung muss spätestens am 5. Arbeitstag nach Eingang des Antrags bei der Pflegekasse erfolgen, wenn
- sich der Antragsteller im Krankenhaus oder einer Reha-Einrichtung befindet und
- eine Begutachtung in der Einrichtung zur Sicherstellung der Weiterversorgung erforderlich ist
oder
- sich der Antragsteller im Krankenhaus oder einer Reha-Einrichtung befindet und
- die (zukünftige) Pflegeperson beim Arbeitgeber Pflegezeit angekündigt oder Familienpflegezeit vereinbart hat
oder
- sich der Antragsteller in einem Hospiz befindet oder ambulant palliativ versorgt wird.
Eine Begutachtung ist spätestens innerhalb von 10 Arbeitstagen nach Eingang des Antrags bei der Pflegekasse durchzuführen, wenn
- der Antragsteller zu Hause lebt, ohne palliativ versorgt zu werden und
- die (zukünftige) Pflegeperson beim Arbeitgeber Pflegezeit angekündigt oder Familienpflegezeit vereinbart hat.
In den Fällen der verkürzten Begutachtungsfrist muss die Empfehlung der Gutachter nur die Feststellung enthalten, ob Pflegebedürftigkeit vorliegt und ob mindestens die Voraussetzungen des Pflegegrades 2 erfüllt sind.
Die vollständige Begutachtung ist unverzüglich nachzuholen.
Folgt auf einen Krankenhaus- oder Reha-Aufenthalt des Versicherten eine Kurzzeitpflege, hat die abschließende Begutachtung spätestens am 10. Arbeitstag nach Beginn der Kurzzeitpflege in der Einrichtung zu erfolgen.
Wenn die Kasse die Fristen nicht einhält
Hält die Kasse die verkürzten Begutachtungsfristen oder die Entscheidungsfrist von 25 Arbeitstagen nicht ein, muss sie dem Antragsteller für jede begonnene Woche der Fristüberschreitung unverzüglich 70 Euro zahlen. Das gilt jedoch nicht, wenn
- der Antragsteller sich in stationärer Pflege befindet und bereits in Pflegegrad 2 oder höher eingestuft ist
oder
- wenn die Pflegekasse die Verzögerung nicht zu vertreten hat.
Hat die Pflegekasse den Grund für die Verzögerung nicht zu vertreten, so ist die Frist so lange unterbrochen, bis die Verzögerung beendet ist. Danach läuft die Frist weiter. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn ein Begutachtungstermin abgesagt werden muss, weil der Antragsteller im Krankenhaus ist, den Termin abgesagt hat oder nicht anzutreffen ist.
Fordert die Pflegekasse nach der Antragstellung noch zwingend erforderliche Unterlagen vom Antragsteller an, werden die Fristen ebenfalls so lange unterbrochen, bis die geforderten Unterlagen bei der Pflegekasse eingegangen sind. Die Unterbrechung beginnt mit dem Tag, an dem dem Antragsteller die Anforderung der Unterlagen zugeht. Mit dem Eingang der geforderten Unterlagen bei der Pflegekasse läuft die Frist weiter.
Entscheidet die Kasse, aber Sie sind mit dem Ergebnis nicht einverstanden, können Sie binnen 1 Monats nach Zustellung des Bescheids Widerspruch gegen die Entscheidung einlegen. Eine detaillierte Begründung können Sie nachreichen. Wenn der Widerspruch von der Pflegekasse mit dem Widerspruchsbescheid abgelehnt wurde, können Sie vor dem Sozialgericht klagen.