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App-Test »olio«: Sharing (made) in England

Stand:
„Olio“ ist ein Online-Marktplatz für Lebensmittel und Sachgegenstände. Hinter der App steht eine ganze Community. Es gibt nur einen großen Haken, der den Funktionsumfang der App für Nutzer:innen in Deutschland stark einschränkt.
Grafik: Logo "olio"

Olio ist ein Online-Marktplatz im Format einer App, der es Nutzer:innen ermöglicht, Items wie Lebensmittel oder Sachgegenstände anderen Nutzer:innen anzubieten – sei es als Geschenk, als Kauf oder als Leihgabe. Auch können Gesuche eingestellt werden. Das Kernanliegen von Olio ist, lokale Communities aufzubauen, deren Mitglieder unter sich Lebensmittel oder Sachgegenstände aller Art tauschen, verkaufen, leihen oder suchen können – ein gutes Konzept, keine Frage. Um die Vorteile von Sharing zu nutzen, bedarf es aber zunächst überhaupt einer Community: Ohne Community kein Sharing. Hier liegt das Problem für Nutzer:innen aus Deutschland, da die App zwar in deutschen App Stores angeboten wird, hierzulande aber wenig bis gar nicht verbreitet ist. Wir haben die App trotzdem getestet und uns das dahinterliegende Konzept einmal näher angeschaut.

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Name: olio 
Anbieter: Olio Exchange Limited
Kategorie: Lebensmittel retten | Müllvermeidung | Nachhaltiger Alltag
Zielgruppe: Erwachsene 
Betriebssystem: iOS | Android
Preis: kostenlos oder kostenpflichtig [2,99€/Monat oder 17,99€/Jahr]
Links: Apple App Store | Google Play Store

Datenkrake im Schafspelz

Hinter der App steht die „Olio Exchange Limited“ mit Sitz in London, England. Vorweg: Die App sammelt Daten – und das nicht zu knapp: Vor- und Zuname, Adresse, E-Mail-Adresse, Telefonnummer, Profilbild, Standort – so ziemlich alles an persönlichen Daten, was denkbar ist. Will man die App vollumfänglich und so nutzen, wie sie intendiert ist, ist das in Kauf zu nehmen. Darüber sollten sich Nutzer:innen im Klaren sein. Das sagt „olio“ auch selbst klipp und klar in seiner Datenschutzerklärung: Wenn man damit nicht einverstanden ist, sollte man erst gar keinen Account erstellen. Zwar geben sie an einer Stelle an, niemals Daten an Dritte weiterzugeben. In der Datenschutzerklärung liest sich das aber etwas anders. Drittanbieter wie Facebook, Google und Amazon haben über ihre Cookies und Dienste durchaus Zugriff auf diese Daten. „olio“ wird dabei nicht müde, zu betonen, dass sie für die Datenverarbeitung der Drittanbieter nicht verantwortlich seien. Auch die Angabe, dass persönliche Daten auf Servern im Vereinigten Königreich, der European Economic Area (EEA) oder den USA gespeichert werden, finden wir etwas vage. Insgesamt ist die Datenschutzerklärung aber wirklich sehr ausführlich, wenngleich sich die App darin als echte Datenkrake offenbart. Dessen sollten sich Interessierte bewusst sein.

Teil der Community werden

Um den Marktplatz zu betreten, ist eine Registrierung in der App zwingend notwendig. Bevor man zur Registrierung gelangt, muss man den Regeln der Community zustimmen. Bereits hier merkt man, dass die Entwickler ihre Plattform zwar nicht exklusiv, dennoch aber frei von Störenfrieden halten wollen. Wer der Community der „Olio-er“ beitreten möchte, muss die Hürde einer Registrierung überwinden. Dafür notwendig ist die Angabe einer E-Mail-Adresse. Des Weiteren verlangt die App Zugriff auf den Standort, da ihr Konzept auf Lokalität beruht. So können „Olio-er“ in der Nähe angezeigt werden. Nach dem Registrierungsprozess werden Nutzer:innen zwei Optionen angezeigt. Neben der kostenlosen Basic-Option gibt es noch einen kostenpflichtigen „Supporter“-Bezahlplan. Beworben wird dieser damit, dass keine Werbung angezeigt werde, man Angebotenes auch direkt auf der Karte sehen könne und ein „Special Supporter Profile“ habe – wohl eher ein symbolischer Aspekt. Sind einem die Vorteile Geld wert, kann man zwischen einer monatlichen Abrechnung für 2,99€ oder einer jährlichen Abbuchung mit 50 Prozent Ersparnis (17,99€) wählen. Etwas verwirrend ist, dass hier teilweise Pfund und Euro gemischt angezeigt werden – die App kann an keiner Stelle verbergen, für welchen Markt sie konzipiert ist.

Teilen – aber mit wem?

Die App ist in vier Reiter unterteilt. Die erste Seite ist dabei der Feed, auf dem Angebote in der Nähe angezeigt werden sollen – zumindest in der Theorie. Denn trotz angeblich immerhin 18 „Olio-ern“ in unserer Nähe, wurde weder in der Kategorie „Food“ noch in der Kategorie „Non-food“ etwas angezeigt. Ob die Zahl stimmt, können wir nicht überprüfen. Wir vermuten, dass es sich bei der Anzahl an Membern in der Nähe eher um einen Köder handelt, um neue Nutzer:innen nicht gleich die Motivation zu rauben. Von aktiven Membern kann hier wohl kaum die Rede sein. Möglicherweise bedingt das eine das andere: Wo wenige Nutzer:innen sind, wird wenig angeboten; wo wenig angeboten wird, kommen keine neuen Nutzer:innen hinzu.

Während Lebensmittel hier nur verschenkt werden können, können andere Items neben verschenkt auch verkauft, geliehen oder gesucht werden. In den weiteren Filtermöglichkeiten gibt es noch die Option, nur persönlich eingestellte Lebensmittel oder Dinge angezeigt zu bekommen oder die von Freiwilligen eingestellten. Man kann sich auch freiwillig als sogenannter „Food Waste Hero“ registrieren, um übrig gebliebene Lebensmittel zu retten und diese einzustellen. Als Belohnung darf man 10% der Lebensmittel für sich behalten. Etwas merkwürdig mutet bei den Filtermöglichkeiten an, dass man sich auch Dinge anzeigen lassen kann, die nicht mehr verfügbar sind – warum, fragen wir uns. Ansonsten gibt es noch aus anderen lokalen Markplatz-Apps bekannte Filterfunktionen wie maximale Entfernung, Sortierung nach „neueste“ oder „am nächsten“ zuerst. Auch der eigene Standort kann hier festgelegt werden, falls man am Heimatort suchen möchte oder an dem Ort, an dem man sich gerade befindet.Dass jedoch selbst in einer Großstadt nichts angeboten wird, empfinden wir als ziemlich demotivierend. Schließlich lebt eine Community von der Beteiligung ihrer Mitglieder. Aber ohne Mitglieder, wird das schwierig. Hätte man die Bezahlversion, wäre das ziemlich ärgerlich und enttäuschend. Das Verändern des Standortes funktionierte leider auch nicht besonders gut. Eine Übersicht der angebotenen Gegenstände oder Lebensmittel auf der Karte ist der Bezahlversion vorbehalten.

Unbeeindruckt davon wird man aber an verschiedenen Stellen motiviert, doch selbst etwas anzubieten. Im Reiter „Add“ kann man selbst Lebensmittel oder Sachgegenstände anbieten. Hier hat man die Wahl zwischen verschenken, verkaufen, leihen und suchen. Dazu muss man ein paar Angaben machen wie zum Zeitraum der möglichen Abholung. Pflicht ist auch ein Foto des Angebotenen. Ohne dieses geht es nicht weiter. Verständlich – schließt damit aber aus, dass man von unterwegs etwas anbietet, noch bevor man zu Hause ist, um es dann abholen zu lassen.

Der „Community“-Bereich der App ist im Gegensatz zu den Angeboten nicht lokal begrenzt. Aus der regen Beteiligung im Forum geht hervor, dass die App in ihrem Heimatland durchaus sehr gut angenommen wird und das Konzept aufgeht. Das Forum dient dazu als Austauschort zu Themen rund um die App, aber auch darüber hinaus (zum Beispiel Rezepte), wobei sich ein Großteil auf eher technische Aspekte in der Nutzung der App bezieht.

Mehr als eine Sharing-App

„Olio“ will mehr als nur eine Sharing-App sein, sondern auch Verhaltensweisen ändern. Hierzu gibt es einen Reiter, der sich „Goals“ nennt. Goals sind sozusagen Ziele beziehungsweise Challenges für ein nachhaltigeres Verhalten im Alltag. Ein Beispiel: Das „Eat me!“-Regal gegen Lebensmittelverschwendung. Hier ist man gefragt, bald zu verbrauchende Lebensmittel in der Reihenfolge ihrer Haltbarkeit auf einem Regal zu sortieren, um sie im wahrsten Sinne des Wortes im Blick zu haben. Per Swipe nach links oder rechts kann man sich durch weitere Goals wischen und für sich passende auswählen. Weitere Goals sind beispielsweise weniger Fliegen oder Kaufen von Bio-Fleisch. Hier werden auch direkt Empfehlungen in der App ausgesprochen, wo man kaufen oder bestellen kann. Das mag praktisch sein als Service für die Nutzer:innen, allerdings ist unklar, ob hier Werbepartnerschaften hinterstecken. In seinen AGB spricht „olio“ jedenfalls davon, dass die App durchaus mit Affiliate Links arbeitet. Der Gewinn werde aber in die Instandhaltung der App reinvestiert. Wer möchte, kann diese Goals zu seiner To-Do-Liste hinzufügen und abhaken, wenn man sie geschafft hat. Man darf dabei maximal drei Goals auf seiner To-Do-Liste haben, ehe man neue hinzufügen kann. Hat man ein Goal erfolgreich erreicht, werden „Karma-Punkte“ gutgeschrieben.

Olios Währung: Karma-Punkte

Die App arbeitet mit Karma-Punkten. Karma-Punkte vergibt die App dem User dann, wenn er etwas getan hat, das positiv für den Planeten ist oder dabei hilft, die Community aufzubauen. Wie viele Karma-Punkte man bekommt, hängt von der Art der Aktion ab: Für das Verschenken, Verkaufen, Leihen und Suchen von Dingen gibt es 30-50 Punkte. Für die Erfüllung der „Goals“ gibt es 10-200 Punkte und für eine Auszeichnung („Badge“) kann man bis zu 500 Punkte abstauben. Diese „Badges“ gibt es meist für recht einfach umzusetzende Aktionen wie das vollständige Ausfüllen des Profils oder das erstmalige Anbieten von Lebensmitteln. Bei den über 30 Siegeln sind aber auch etwas kontextlos erscheinende Challenges wie „Night Owl“ – das Anbieten eines Lebensmittels oder eines anderen Items zwischen 21 Uhr und 4 Uhr morgens. Hier fragen wir uns, welchen erweiterten Sinn diese Challenge haben soll. Vermutlich nur jenen, den User bei Laune zu halten. Denn uns wird auch nicht klar, wie „olio“ diese Karma-Punkte genau gewichtet. Für das Anbieten von Lebensmitteln oder Gegenständen gibt „olio“ eine Beispielrechnung an:

Eine Tüte Äpfel = 1
Eine Packung Kekse = 1
Eine Flasche Shampoo und eine Flasche Conditioner = 2
Drei Sandwiches = 3

Wir fragen uns: Würde man drei Punkte erhalten, wenn man statt einer Tüte Äpfel drei Äpfel separat verschenkt? Und was genau ist überhaupt der Umwelt-Impact? Das bleibt uns schleierhaft. Je mehr Karma-Punkte man sammelt, desto höher steigt man in seinem Level auf. Man beginnt mit rot und kann sich bis zum Regenbogen-Level (50.000 Karma-Punkte) hocharbeiten. Um das zu erreichen, hat man wohl ziemlich lange zu tun. Hier überwiegt eindeutig ein Gamification-Ansatz, den wir grundsätzlich gut finden, der sich uns hier aber nur bedingt erschließt.

Quelle: Screenshots

Fazit

Eine Community kann nur funktionieren, wenn es genügend Mitglieder gibt, die sich beteiligen. An vielen Stellen in der App merkt man, dass sie aus Großbritannien kommt und für den britischen Markt konzipiert ist. Eine vollumfängliche Nutzung in Deutschland sehen wir daher mangels Nutzer:innen eher nicht. Neben der Funktion, Dinge anzubieten, gefällt uns grundsätzlich der Gamification-Ansatz für mehr Nachhaltigkeit im Alltag, den deutsche Nutzer:innen wenigstens für sich nutzen können. Außerdem ist die Gestaltung der App modern und entspricht den Nutzungsgewohnheiten. Kritisieren müssen wir jedoch, dass die Nutzung der App zahlreiche persönliche Daten kostet. Insgesamt handelt es sich aber um ein gutes Konzept, nur geht es in Form der App „olio“ (noch) nicht hinreichend in Deutschland auf. Wer übrig gebliebene Lebensmittel teilen möchte, kann besser das Angebot von foodsharing.de nutzen. Was Sachgegenstände angeht, bieten sich etablierte Angebote wie nebenan.de oder Kleinanzeigen besser an.

Handhabung3 Sterne
Spaß2 Sterne
Mehrwert4 Sterne
Motivation2 Sterne
Datensparsamkeit1 Stern
Gesamtwertung2 Sterne

Haben Sie Hinweise, Korrekturen oder sonstiges Feedback zu unserem App-Test? Ich freue mich über Ihre E-Mail an marian.kulig[at]verbraucherzentrale.nrw. Danke für Ihr Interesse! (Marian Kulig)

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